Der Dialog zum Thema „Strafpolitik“ stand im Fokus einer Fortbildung, welche die IRZ am 29. und 30. Mai 2023 zum Thema „alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft“ im Rahmen eines vom Auswärtigen Amt finanzierten Projektes zur Modernisierung der Justiz in Tunesien veranstaltete. Ziel der Veranstaltung war die Förderung des Austauschs von tunesischen, deutschen und europäischen Erfahrungen, Modellen und Perspektiven im Bereich der präventiven Kriminalpolitik.
Als Experten nahmen Herr Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Köln sowie Herr Pascal Décarpes, EU-Strafrechtsexperte im Bereich der präventiven Strafpolitik, teil. Während Herr Bremer vor allem sein Wissen über das deutsche Straf- und Sanktionssystem an die Teilnehmenden weitergab, trug Herr Décarpes durch seine Vorträge über die Prävention von Straftaten zum Erfolg der Veranstaltung bei.
Während des Seminars wurden unter anderem die folgenden Themenbereiche behandelt und lebhaft diskutiert:
Präventive Kriminalpolitik
Aussetzung von Haftstrafen
Organisation der Bewährungshilfe in Deutschland und Europa
Kriminalpolitik und Sanktionensysteme in Deutschland und Tunesien
Untersuchungshaft und mögliche Alternativen
Alternativen zu Haftstrafen und Strafaufschub
Möglichkeiten und Risiken von elektronischen Fußfesseln
Auf Grund einer massiven Überbelegung der Haftanstalten besteht in Tunesien ein großer Bedarf an möglichen Alternativen zu herkömmlichen Haftstrafen sowie der Prävention von Straftaten. Die durchgeführte Veranstaltung schließt direkt an diesen Bedarf an, indem es darauf abzielt, das Bewusstsein für alternative Strafen sowie für die Bedeutung einer präventiven Kriminalpolitik zu steigern. Der Fokus liegt dabei auf der notwendigen Wissensvermittlung zur effektiven Implementierung von Alternativen Strafen.
Ein neuer Studiengang soll durch die Ausbildung von Fachpersonal einen Beitrag zur Verbesserung der Gesetzesqualität und somit auch zur Modernisierung der Justiz in Tunesien leisten.
Im Rahmen eines vom Auswärtigen Amt finanzierten Projekts zur Modernisierung der Justiz in Tunesien in den Bereichen des Strafrechts und der Gesetzgebungstechnik unterstützt die IRZ die juristische Fakultät der El Manar Universität in Tunis bei der Ausarbeitung eines neuen Studienganges für Legistik. Am 31. Mai und 1. Juni 2023 fand die vierte und letzte Beratungssitzung zur Wiedereinführung des Studiengangs in Tunis statt. Der Abschlussveranstaltung waren Treffen im November und Dezember 2022 sowie im Februar 2023 vorausgegangen.
Am abschließenden Seminar nahmen als deutsche Experten Herr Prof. Dr. Hans Hofmann, Humboldt Universität zu Berlin und Herr Prof. Dr. Klaus Meßerschmidt, Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg teil. Als tunesischer Experte referierte Herr Kheireddine Bun Sultan, ehemaliger Leiter der Gesetzgebungsabteilung der tunesischen Regierung.
An der Veranstaltungsserie wirkten rund 30 Dozentinnen und Dozenten von verschiedenen Universitäten aus Tunis mit. Die Struktur und die Methodik des neuen Studiengangs wurden parallel zu den Beratungsseminaren von den tunesischen Projektpartnern ausgearbeitet. Das Curriculum ist fertig gestellt, so dass der neue Studiengang an der El Manar Universität in Tunis zeitnah starten kann. Auch die Dozentinnen und Dozenten, die den Studiengang unterrichten werden, sind bereits ausgewählt. Gleichzeitig ist eine parallele Einführung des Studiengangs an der Virtuellen Universität in Tunis (l’Université Virtuelle de Tunis), die als Fernuniversität vom Bildungsministerium vor einigen Jahren eingerichtet wurde, vorgesehen, um berufstätigen Interessierten eine Fortbildung im Bereich der Gesetzgebung zu ermöglichen.
Im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten IRZ-Projekts zur Unterstützung der Modernisierung der Justiz in Tunesien im Bereich Strafrecht und Gesetzgebungstechnik wurden vier Arbeitsgruppen zur Behandlung der Themenbereiche eingerichtet. Am 8. und 9. Mai 2023 fanden in Tunis das erste Treffen des Steering Committee der Arbeitsgruppen sowie die ersten Arbeitsgruppentreffen statt.
Das Steering Committee wird die Ausarbeitung der Leitfäden in den verschiedenen Arbeitsgruppen begleiten und die Arbeitsabläufe unterstützend koordinieren.
Das Projekt begann im Jahr 2022 und wird gemeinsam mit verschiedenen Akteuren der tunesischen Zivilgesellschaft durchgeführt.
Die vier Arbeitsgruppen sollen unter anderem Leitfäden und Handbücher bzw. Empfehlungen zu folgenden Themenschwerpunkten des Projekts erarbeiten:
Entwicklung einer präventiven Strafpolitik
Effizienzsteigerung im Strafverfahren
Kodifizierung und Standardisierung von Gesetzentwürfen
Konformität und Harmonisierung von Gesetzesentwürfen mit internationalen Abkommen / Prüfung von Gesetzesentwürfen
Ziel der ersten Treffen war es die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte und detaillierten Themenbereiche in den Arbeitsgruppen sowie einen zeitlichen und organisatorischen Ablaufplan zur Erstellung der Leitfäden und Handbücher gemeinsam festzulegen.
Mitglieder der Arbeitsgruppen sind Dozentinnen und Dozenten der juristischen Fakultät der Universität El Manar sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bzw. Richterinnen und Richter.
Als IRZ-Experte nahm Herr Pascal Décarpes, EU-Experte im Strafrecht, teil.
Die tunesische Seite zeigte sich sehr engagiert und interessiert an einem Austausch und an Reformen im Bereich Strafrecht und Gesetzgebungstechnik. Weitere Arbeitsgruppentreffen werden in den folgenden Wochen und Monaten stattfinden, um die Leitfäden und Handbücher bzw. Empfehlungen bis Ende 2023 ausarbeiten zu können.